Die Idee
Geschichten interaktiv zu erzählen – das ist die Grundidee, der sich StraBrangy verschrieben hat. Doch was genau soll das bedeuten, interaktives Geschichtenerzählen?
Nun, vor allem eröffnet es dem Leser einzigartige Möglichkeiten, in die Handlung einzugreifen:
- Denken Sie an ein storybasiertes Computerspiel: Sie können ein virtuelles Universum frei erkunden und mit ihm interagieren. Sie erleben die Geschichte durch Ihre Aktionen in der Spielwelt.
- Andere interaktive Erzählvehikel erlauben Ihnen, Ihr weiteres Vorgehen, Ihr Verhalten aus einer Liste von Möglichkeiten auszuwählen – um auf diese Weise die Handlung zu beeinflussen.
StraBrangy verwendet folgende Mechanismen, um die angesprochene Handlungsfreiheit zu verwirklichen:
- Eine Geschichte ist in viele kleine Handlungshäppchen – sogenannte Inhaltsfragmente – unterteilt.
- Inhaltsfragmente sind über Interaktionsmechanismen miteinander verbunden. Ein Interaktionsmechanismus besteht im einfachsten Fall aus der bereits erwähnten Auswahlliste mit Handlungsoptionen. Sie – als Autor – können Ihrem Leser aber auch viel ausgeklügeltere Methoden anbieten, um in die Handlung einzugreifen. Dazu später mehr.
- Darüber hinaus können Sie die Stärken des Computers nutzen: Lassen Sie Bilder sprechen. Erschaffen Sie virtuelle Räume, die Ihr Leser erkunden kann. Nutzen Sie Musik und Geräusche, um das Erlebnis abzurunden.
- Unterschätzen Sie nicht die Möglichkeit, mehrere Leser gleichzeitig in die Welt Ihrer Geschichte zu entführen. Im einfachsten Szenario konsumieren diese Rezipienten einfach nur gemeinsam die Handlung. Sie könnten Ihren Lesern aber auch das Schreibrecht einräumen – sie werden zu Autoren, die Ihre (Rumpf-) Story weitererzählen. Langer Rede kurzer Sinn: Beziehen Sie Ihr Publikum ein!
Der Rest der Welt
Heute existieren zahlreiche, auch kommerziell erfolgreiche Ansätze, Geschichten interaktiv zu erzählen. Was hebt StraBrangy von diesen ab?
- Der Fokus auf die Erzählung – im Gegensatz zu typischen Computerspielen steht die Geschichte im Mittelpunkt.
- Nur Grautöne: Interaktionen in StraBrangy kennen kein „richtig“ oder „falsch“ – stattdessen führen sie auf unterschiedlichen Wegen durch die Handlung.
- Der Fokus auf Interaktionsmöglichkeiten – bei typischen interaktiven Geschichten ist die Interaktion auf das Auswählen von Optionen beschränkt. StraBrangy versucht, diese Beschränkung zu lockern, zu brechen. Und komplexere Eingriffe in eine Geschichte zu ermöglichen.
- Der theoretische Unterbau – StraBrangy legt viel Wert darauf, neue Wege für das Erzählen interaktiver Geschichten zu erkunden. Um dadurch einen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen sich Autoren bewegen können.
Ein genauerer Blick ...
Wichtigste Träger Ihrer Story sind Inhaltsfragmente: In sich abgeschlossene Teiltexte, die Ihre Handlung ein kleines Stückchen vorantreiben. Und dann in einen Interaktionsmechanismus münden, über den der Leser über den Fortgang der Handlung entscheidet.
Neben Inhaltsfragmenten und Interaktionsmechanismen kann eine Story noch aus anderen Elementen bestehen – beispielsweise aus Ordnern, die Ihre Geschichte strukturieren helfen. In ihrer Gesamtheit werden die Einzelelemente Ihrer interaktiven Story als Storyelemente bezeichnet.
Auf das Verhalten des Rezipienten kann Ihre Geschichte mittels Interaktionspfadbedingungen reagieren: Sie können damit Storyelemente und ihre gegenseitigen Abhängigkeiten steuern. Oder die Ausgestaltung einer Interaktion von bestimmten Kriterien abhängig machen.
So kann in Interaktionspfadbedingungen auf den bisherigen Storyverlauf eingegangen werden: Der Storyverlauf enthält alle vom Leser aufgerufenen Storyelemente. Die Anzeige eines Textfragment kann nun davon abhängig gemacht werde, ob zuvor ein bestimmtes anderes Inhaltsfragment besucht wurde.
Der Storyverlauf ist aber nicht die einzige Möglichkeit, den weiteren Verlauf Ihrer Geschichte zu steuern: Sie können Elementrepräsentationen für die Objekte erstellen, die Ihre Geschichte ausmachen: Für die handelnden Personen, für bestimmte Ereignisse. Oder auch Orte, die der Rezipient im bisherigen Storyverlauf bereits besucht hat.
Sie können jedem dieser Objekte beliebige Eigenschaften zuweisen – und so beispielsweise abbilden, wie sympathisch eine bestimmte Figur den Leser gerade so findet. Über Interaktionspfadbedingungen können Sie diesen Charakter dann auch entsprechend handeln lassen. Der Rezipient wiederum kann seine Sympathiewerte durch vorbildliches Handeln nach oben treiben. Oder, wenn er die „Arschlochkarte“ spielt, auch ins Bodenlose fallen lassen.
Interaktionsmechanismen
Interaktionsmechanismen sind ein entscheidender Unterschied zu anderen Erzählformen, die ihr Publikum einbeziehen. Denn selbst anspruchsvollere storybasierte Spiele kommen üblicherweise nicht darüber hinaus, den Spieler auf Zweiwort-Umschreibungen, die die Fortsetzung der Handlung oder des Gesprächs andeuten, klicken zu lassen. Diese Umschreibungen sind oft bewusst missverständlich gewählt, um die Entscheidungsfindung des Rezipienten zu erschweren.
Interaktionsmechanismen hingegen stehen für größere Freiheiten: Zwar kann auch eine interaktive Story à la StraBrangy derartige Auswahllisten nutzen, um die Handlung voranzutreiben. Allerdings wird diese Geschichte – anders als viele Spiele – niemals versuchen, den Rezipienten über eine missverständliche Formulierung in die Irre zu führen. Vielmehr nimmt sie ihr Publikum an die Hand. Und erklärt im Zweifelsfall lieber überdeutlich, welche Konsequenzen eine Interaktionsmöglichkeit nach sich ziehen wird.
Aufgrund des besonderen Wertes, den StraBrangy auf Interaktionen legt, bleiben Ihre interaktiven Geschichten nicht auf einfache Mechanismen wie Auswahllisten beschränkt. Sie können Ihrer Phantasie vielmehr freien Lauf lassen und Interaktionsmechanismen ganz nach Ihren Wünschen gestalten.
Beispiele für komplexere Interaktionsmechanismen gefällig?
Da wäre beispielsweise der Schieberegler-Interaktionsmechanismus. Hier interagiert der Rezipient mit einer Werteskala:
Wie stark hat Sie das zuvor Geschilderte emotional berührt? Wählen Sie einen Wert zwischen 0 und 10, wobei 10 eine maximale Berührtheit ausdrückt.
Typischerweise wird sich dieser vom Rezipienten bereitgestellte Wert auf Elementrepräsentationen auswirken. Und darüber – Stichwort Interaktionspfadbedingungen – den weiteren Verlauf der Handlung beeinflussen.
Ein Beispiel für eine Story, die Schieberegler einsetzt, finden Sie hier.
Oder aber ein Minispiel, das den Fortgang der Geschichte definiert. Im Gegensatz zu „normalen“ Spielen ist dabei nicht entscheidend, ob der Rezipient gewinnt, sondern welche Handlungsweisen, Lösungsansätze oder Taktiken er im Spielverlauf anwendet. Sein Verhalten wird – selbes Muster wie beim Schieberegler-Interaktionsmechanismus – in Änderungen von Elementrepräsentationen umgerechnet und über Interaktionspfadbedingungen in die Handlung eingebunden.
Noch zu unkonkret, zu wolkig? – Dann sollten Sie sich diese Fallstudie zu Gemüte führen.